Tradition & Moderne
Der Strukturwandel im Ruhrgebiet ist an der Geschichte des Westfälischen Industrieklubs in Dortmund beispielhaft abzulesen. Heute finden sich viele Dienstleister unter seinen Mitgliedern – mit weiter steigender Tendenz. In den ersten Jahrzehnten nach der Gründung machten Führungskräfte aus der Montanindustrie den größten Anteil an der Mitgliedschaft aus. Sie prägten das Klubleben und seine Außenwirkung in entscheidendem Maße.
Heute steht der Klub Interessierten aus den unterschiedlichsten Branchen offen. Zu den aktuell rund 500 Mitgliedern gehören auch Freiberufler und Wissenschaftler. In dem Bewusstsein einer reichen Historie steht der Beschluss jedoch fest: Der traditionsreiche Name 'Westfälischer Industrieklub' soll trotz des Wandels und auch bei einer Öffnung für nicht-industrielle Mitglieder erhalten bleiben.
Die Gründung 1918
Der Westfälische Industrieklub wird am 13. März 1918 im Hotel Römischer Kaiser in Dortmund gegründet.
Die Ziele des Klubs finden sich wie folgt in §1 der Gründungssatzung:
'Der Westfälische Industrieklub bezweckt auf dem Wege der geselligen Vereinigung die Förderung der Interessen seiner Mitglieder. Er will insbesondere durch gegenseitige Aussprache, durch Vorträge und Anregungen aller Art seine Mitglieder einander näherbringen'.
Dem trägt auch die Sitzordnung bei den gemeinsamen Klubmahlzeiten Rechnung: Ganz bewusst wurden die Vertreter der verschiedenen Wirtschaftszweige gemischt und so mit anderen Branchen in Kontakt gebracht.
Die Initiative zur Gründung kommt aus dem Mittelstand. Dem Gummiwaren-Fabrikant Wilhelm Pahl droht im Jahr 1917 eine Stilllegung seines Betriebes durch das deutsche Kriegswirtschaftsamt. Dies wird gestoppt durch das Dortmunder Oberbergamt, das in einem Gutachten die Bedeutung des Pahlschen Unternehmens für die Betriebssicherheit der umliegenden Zechen bescheinigt, welchem auch der Reichstag zustimmt.
Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse erklärt sich das Engagement Wilhelm Pahls für die Gründung des Westfälischen Industrieklubs. Alle Vertreter der Westfälischen Industrie sollen einen neutralen Ort zur Aussprache über ihre gemeinsamen Interessen haben. Das ist etwas grundsätzlich anderes als in den damals bereits bestehenden Fachverbänden, die jeweils nur ihr eigenes branchenspezifisches Interesse verfolgen.
Daten und Fakten im Rückblick
2012 |
umfassende Renovierung und neue technische Ausstattung der Klubräume |
2011 |
Relaunch der Website des Westfälischen Industrieklubs |
2010 |
Wolfs Catering übernimmt die Bewirtschaftung der Klubräume und des Festsaals |
2002 |
Umwandlung der OHG in eine KG |
2000 |
Beginn der Neuausrichtung als 'Wirtschaftsklub' |
1972 |
Fortsetzung des Geschäftsbetriebs als OHG |
1968 |
50-jähriges Jubiläum – im Festvortrag klingt der Strukturwandel im Ruhrgebiet an |
1961 |
Bezug der Klubetage des vom Industrieklub errichteten neuen Gebäudes am Markt 6-8 |
1953 |
am 3. Januar isst Bundeskanzler Konrad Adenauer im Industrieklub zu Abend |
1952 |
Besuch des Bundespräsidenten Theodor Heuss am 2. Februar im Westfälischen Industrieklub |
1950 |
Anmietung neuer Klubräume im Berghof an der Rheinischen Straße 2 |
1948 |
erste Mitgliederversammlung nach dem 2. Weltkrieg im Haus der Union Brauerei |
1944 |
Zerstörung des Nordsternhauses und der Dokumente des Industrieklubs durch Bomben |
1941 |
Gleichschaltung des Industrieklubs durch die Nationalsozialisten, erzwungene Umfirmierung |
1931 |
Zutritt der Damen zu allen Räumen, aber weiter 'Herrenklub' bis in die 70-er Jahre |
1929 |
Zeit der Weltwirtschaftskrise, trostlose wirtschaftliche Lage auch in Dortmund |
1923 |
Bezug der Klubräume im 1. Obergeschoss des Nordsternhauses am Markt |
1922 |
Gründung der Nordsternhaus GmbH |
1918 |
Gründung des Westfälischen Industrieklubs am 13. März auf Initiative von Wilhelm Pahl |
Industrien & Strukturwandel
Seit seiner Neuausrichtung im Jahr 2000 versteht sich der Westfälische Industrieklub als Wirtschaftsklub und öffnet sich zum Beispiel auch für Freiberufler.
In den ersten Jahrzehnten seines Bestehens sieht das noch ganz anders aus: Der Klub bindet zunächst vorrangig Persönlichkeiten an sich, die in der Industrie in leitenden Positionen tätig sind und deren Einfluss idealerweise über Dortmund hinausreicht. Dabei spiegelt der Westfälische Industrieklub die industrielle Struktur der Stadt Dortmund und der Region wider.
Die drei Haupt-Industriezweige
- Bergbau (Gelsenkirchener Bergwerks AG, Harpener Bergbau AG u.a.)
- Eisen- und Stahlindustrie (Phoenix, Deutsch-Lux, Hoesch)
- Brauereien (Dortmunder Union Brauerei, Kronen-Brauerei, Brauerei Thier & Co)
Bereits rund drei Jahre nach der Gründung wurde der gesamte Vorstand neu gewählt, nicht zuletzt, weil im neuen Vorstand die drei wichtigsten Industriezweige vertreten sein sollten.
Der Bergbau hat von Beginn an ein großes Gewicht im Dortmunder Industrieklub. Die erste vorläufige Mitgliederliste von 1918 führt 138 Personen auf, von denen 23 Prozent aus dem Bergbau stammen. Diese erste Liste gibt weitere interessante Aufschlüsse: Rund die Hälfte der Mitglieder entstammt der Großindustrie, darüber hinaus spielen der Dortmunder Mittelstand und insbesondere Dortmunder Familienunternehmen eine große Rolle. Damit steht der Westfälische Industrieklub nicht zuletzt in der Tradition der Bürgerschaft der freien Reichsstadt und Hansestadt des mittelalterlichen Dortmunds.
In der zweiten Mitgliederliste des Industriebklubs von 1921 werden 182 Mitglieder genannt, darunter sind 27 Prozent Vertreter des Bergbaus. Aus dem Jahr 1953 datiert das erste Mitgliederverzeichnis nach dem 2. Weltkrieg. Damals entstammen von 307 Mitgliedern insgesamt 70 dem Bergbau (22,8 Prozent). Aber bereits Ende der 50-er Jahre ist der Rückgang der Kohleförderung absehbar. Im Festvortrag zum 50-jährigen Bestehen am 19. März 1968 benennt Bergassessor Winkhaus die Probleme der 'Umstrukturierung der westfälischen Industrie'. Seit den 70-er Jahren erlebt auch die Stahlindustrie und das Brauereiwesen einen Strukturwandel.
Die Vorträge
>> zu den aktuellen Vorträgen
Wie vergleichbare Klubs in anderen Städten lädt auch der Westfälische Industrieklub seine Mitglieder von Anfang an regelmäßig zu Vorträgen ein. Die Themen berühren schwerpunktmäßig wirtschaftliche, politische und historische Inhalte. Sie gehen aber noch weit darüber hinaus.
Sie reichen von Reiseberichten bis hin zu technischen Neuerungen. Die Vortragstitel lauten zum Beispiel 'Die Reformvorschläge im Rechnungswesen', 'Das Amerika von heute' oder 'Der soziale Gegensatz und seine Überwindung'. Einer der Redner war Prof. Otto Hahn. Er referierte 1943 über die 'Radioaktive Atomumwandlung und Zerspaltung des Urans'.
Während und zwischen den beiden Weltkriegen finden sich unter den Vorträgen auch militärische Themen. So beschäftigt sich zum Beispiel 1922 ein Vortrag mit dem 'Einfluss der Seekriegsführung auf die militärpolitische Lage'. 1940 lautet ein Thema: 'Englands wirtschaftliches Kriegspotential' . So sind die damaligen Vortragsthemen heute als zeithistorisches Dokument zu lesen.
Die Räumlichkeiten in der Rückschau
Das Gebäude des Westfälischen Industrieklubs beherrscht die Ostflanke des Dortmunder Marktes. Sein großer Saal steht nicht nur Mitgliedern für Vorträge und Festlichkeiten zur Verfügung, sondern wird heute auch extern für Tagungen und Seminare sowie für private Feiern vermietet.
Der Bau der 60-er Jahre setzt einen repräsentativen Akzent im Dortmunder Stadtbild. 1944 wurde an dieser Stelle das historische Dortmunder Nordsternhaus durch Bombentreffer zerstört, das zuvor viele Jahre lang der Sitz des Industrieklubs gewesen war.
1961 |
Bezug des neu errichteten Gebäudes am Markt 6-8 mit großem Festsaal. (2012 umfassende Renovierungen und neue Innenarchitektur in den Klubräumen.) |
1950-1961 |
Anmietung neuer Klubräume in der 1. Etage des Berghof, Rheinische Straße 2, dem Verwaltungsgebäude der Dortmunder Union Brauerei. |
1923-1944 |
Die repräsentativen Klubräume befinden sich in der 1. Etage des Dortmunder Nordsternhauses, das durch die Gründung der Nordsternhaus GmbH von der Lebensversicherung Nordstern erworben werden konnte und 1944 kriegszerstört wurde. |
1918-1922 |
Die Versammlungen des Westfälischen Industrieklubs finden regelmäßig im Hotel Römischer Kaiser in der Dortmunder Innenstadt statt. |
Die Vorsitzenden
>> zum amtierenden Vorstand / Beirat
In seiner Anfangszeit ist der Westfälische Industrieklub stark durch den Bergbau geprägt. Unter den Vorstandsvorsitzenden finden sich in den ersten Jahrzehnten allein fünf Bergassessoren.
Heute zeigt sich eine enge Verbindung des Industrieklubs zur Industrie- und Handelskammer. Der amtierende Vorstandsvorsitzende Joachim Punge ist Vizepräsident der IHK in Dortmund. Mit Rudolf Brickenstein, Fritz Jaeger und Winfried Materna finden sich drei weitere frühere IHK-Präsidenten unter den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des Industrieklubs.
Vorstandsvorsitzende seit der Gründung 1918
seit 2020 |
Dirk Rutenhofer |
2010-2019 |
Dipl.-Kfm. Joachim Punge |
2005-2010 |
Dipl.-Ing. Dr. rer. nat. Winfried Materna |
2003-2005 |
Dipl.-Kfm. Fritz Jaeger |
1998-2003 |
Helmut Kohls |
1984-1998 |
Rudolf Brickenstein |
1971-1984 |
Bergassessor Dr.-Ing. Hans Messerschmidt |
1965-1971 |
Dr. rer. pol. Johann Daniel Gerstein |
1954-1965 |
Bergassessor Dr.-Ing. Werner Haack |
1948-1954 |
Bergassessor Dr. phil. h.c. Hermann Wenzel |
1943-1948 |
Konsul Dr.-Ing. e.h. Moritz Klönne |
1938-1943 |
Bergassessor Hermann Olfe |
1922-1937 |
Bergassessor Dr.-Ing. e.h. Ernst Brandi |
1918-1922 |
Wilhelm Pahl, Gummiwaren-Fabrikant |
Literatur mit Quellennachweisen
Westfälischer Industrieklub, Herausgeber
'90 Jahre Westfälischer Industrieklub Dortmund', Dortmund 2008, ISBN 3-924236-26-7
Inhalt: Die Publikation beinhaltet einen Vortrag des Historikers und Archivars Prof. Dr. Ottfried Dascher vom 7. März 2006. Bei der Drucklegung 2008 anlässlich des 90-jährigen Bestehens erschien der Vortragstext mit Erweiterungen und umfassenden Anmerkungen und Quellenhinweisen.
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